"Vor kurzem war ich zu Besuch im Atelier von Christa Dietl, um mir Anregungen für die Eröffnung dieser Vernissage zu holen. Dabei kamen mir Zweifel: Was kann bzw. was soll man noch über Bilder sagen und reden, wenn diese bereits von sich aus eine so deutliche Sprache sprechen? Kann man dem mit Worten überhaupt gerecht werden?
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In den Werken von Christa Dietl stammt vieles aus der Natur, aus der Welt der Pflanzen und Tiere, oder auch aus der Welt der Mineralien, sprich: aus all dem, was man in der Komposition als "Landschaft" bezeichnet.
Es erscheinen aber auch – wie in der modernen Kunst häufig der Fall - Themen, die von der Technik und Wirtschaft in unsere Welt hineingetragen werden, z.B. Geschwindigkeit, Bewegung, das rasche Kommen und Gehen, vieles was man etwa beobachten kann, wenn man sich an eine Straßenkreuzung stellt und die sich darbietenden Phänomene auf sich wirken lässt.
Die malerische Technik bzw. Methode, mit der Christa Dietl arbeitet, hat mich sehr beeindruckt. Zuerst geht es einmal darum, dass Farbflächen in Schichten aufgetragen werden; und dann wird z.B. häufig in diese Farbflächen „hineingeritzt“ oder gespachtelt, um tieferliegende Schichten freizulegen. Dieses Ritzen ist schon sehr nahe beim Zeichnen, bei dem die Künstlerin eine große Meisterschaft zeigt.
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Also seien sie sich bewusst, dass Sie bei der Maltechnik von Christa Dietl – so könnte man metaphorisch sagen – eine aus der Altsteinzeit stammende Methode vor sich haben! Und manchmal wird sogar ganz konkret auf die altsteinzeitlichen Höhlenmalereien verwiesen. Am liebsten würde ich in die Ritzen greifen und die Linien lustvoll nachvollziehen.
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Es geht also wie gesagt um Farbschichten, und dann um die Gravur mit einem starken haptischen und zugleich zeichnerischen Aspekt. Was bei der Malerei von Christa Dietl als weitere wichtige Dimension hinzukommt, ist die abwechslungsreiche Materialität. Die Farbschichten bestehen häufig aus Acryl, aber genauso kommen – oft im selben Bild - Ölfarben dazu (die die Schwierigkeit der langen Trocknungszeit haben), und in jüngster Zeit auch noch sehr „organische“ Schichten aus Rost, Asche und sogar Bienenwachs, wodurch sehr dichte und sinnliche Flächen entstehen, auf denen dann die „Ritzungen“ oder Zeichnungen erfolgen.
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Dann wird man auch sehen, dass es viele Bilder gibt, bei denen es genau keine (scharfen) Linien gibt, in denen die Formen und Figuren in keiner Weise linienmäßig abgegrenzt sind und der Eindruck von Verschmelzung oder Entschwinden entsteht. Die Linie - auch wenn sie noch so fantastisch ist – hat auch immer etwas Nüchternes und Begrenztes, im Unterschied zu jenen Figuren, die „unbegrenzt“ sind und auf diese traumartige Weise ineinanderfließen.
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Zum Schluss noch eine Anmerkung aus psychologischer Sicht: Wir, die wir auf die Bilder schauen, werden den Bildern ähnlich! Ich meine das tatsächlich so konkret: je länger ich auf ein Bild schaue, desto deutlicher habe ich das Gefühl, ich gehöre zum Bild, das Bild ist mir oder ich bin dem Bild ähnlich. Es entwickelt sich sozusagen so etwas wie ein empathischer Prozess, der für das Betrachten eines Kunstwerks wesentlich ist.
Dazu ein Zitat: "Kunst ist das Können, Einsicht zur Form zu bringen. Form, die wir sinnlich vor uns haben." Was ich als Künstler als Einsicht in mir trage, was meine Einsicht ist, bringe ich in
das Bild und entwickle ich durch den Malprozess. Sehr viel wird dabei erst dadurch erfahren, dass es gemalt wird. Ich kenne Maler mit einer sehr abgehobenen, metaphysischen Weltanschauung, welche
weit über das hinausgeht was man je noch als gegenständlich oder physikalisch definieren könnte. Und sie arbeiten intensiv daran, diese Metaphysik in ihren Bildern zur Form zu bringen, sie
erfahrbar zu machen.
Interessant und spannend ist es, als Betrachter diese Ideen in den Bildern sinnlich zu erfahren und vielleicht sogar - zumindest zeitweise - zu übernehmen. So möchte ich abschließend sagen:
Christa Dietl hat sensibel wirkende, eigenständig aus der Tradition heraus entwickelte Bilder geschaffen, für die wir ihr sehr dankbar sein können!"
(Prof. Dr. Wolfgang Tunner, März 2015)
"... Der flüchtige Eindruck, den eine vorüber ziehende Landschaft hinterlässt, wird in ein dauerhaftes Bild verwandelt, die Unschärfe trägt dazu bei, dass man es als eine Art Traum- oder
Erinnerungsbild wahrnehmen kann. ... Dietls Bilder sind gewissermaßen die Antithese zu den Sehgewohnheiten, zu denen uns die visuelle Kultur unserer Zeit erzogen hat...
... ich unterstelle Christa Dietl jetzt einmal, dass sie uns in ihren Bildern sensibilisieren will für den ästhetischen Reiz dessen, was wir gewöhnlich nicht mehr beachten, und sie tut das mit
einer malerischen Raffinesse, die sie sich u.A. unter der Anleitung von Kapazundern wie Prof. Anton Lehmden erarbeitet hat.
Die Bilder halten oft einen flüchtigen Augenblick fest, entstehen aber in einem zeitaufwändigen Malprozess, bei dem mehrere Schichten lasierend übereinandergelegt werden...
Der schichtförmige Aufbau bewirkt, dass die Farbflächen transparent wirken, lebendig. Die Felder, der Himmel, die Bäume atmen gleichsam. So langsam die Bilder entstehen, so sehr verlangen
sie auch danach, lange und einfühlsam betrachtet zu werden. Dann wird man entdecken, wie viele fein nuancierte Farbabstufungen darin enthalten sind...
... Vieles erschließt sich bei näherem Hinsehen, bei längerer Betrachtung. ...
Wenn Sie den Ausstellungsraum einmal allein betreten, können Sie vielleicht nachvollziehen, was ich empfunden habe, als ich in den vergangenen Tagen die Bilder auf mich wirken ließ:
Ein Gefühl von Harmonie, eine große Stille, die auch einen selbst zur Ruhe kommen lässt, eine Art Entschleunigung."
(Hadmar Lichtenwallner, April 2018)